Seit vielen Jahren, ja eigentlich Jahrzehnten bemühen wir uns, dass es zum Nikolaus ein Umdenken bei den meisten Nikolausdarstellern aber auch bei den Eltern gibt. Wir sehen den Nikolaus als eine positive Figur, die den Kindern Freude bereiten soll und ihnen Geschenke einfach so bringt weil Nikolaus ist und nicht weil sie brav waren. Hier wird leider noch immer viel Schindluder mit dem „Goldenen Buch“ wo die „Sünden“ der Kinder drinnen stehen und einigen anderen Dingen getrieben.
Zusätzlich haben wir immer noch das Thema des Bartes erwähnt, weil es nicht wenige Kinder gibt, die sich alleine schon wegen des Bartes vor dem Nikolaus fürchten. Obwohl wir immer wieder Presseaussendungen zum Nikolo machen, wurden sie fast immer ignoriert oder kamen nur in einer kleinen Randspalte vor. Warum es dieses Jahr dann zu einer großen Aufregung kam ist uns eher ein Rätsel. Jedenfalls ist es uns ein Hauptanliegen, dass Nikoläuse Kindern keine Angst machen, wodurch auch immer. Und hier gibt es noch eine passende Geschichte dazu, die uns sehr gut gefällt. Viel Freude beim Lesen!
Eine Nikolausgeschichte
Der Student rief sich noch einmal alles in Erinnerung, was man ihm beim Nikolaus-Verleihdienst (oder bei der Jungschar-Nikolausschule) eingeprägt hatte. Auf keinen Fall dürft ihr den Kinderschreck machen, hatte man ihnen gesagt. Auch dann nicht, wenn die Eltern es wünschten. Der Student hatte sich alle Mühe gegeben, den frommen und guten Nikolaus darzustellen. Aber es half nichts. Das Kind schrie wie am Spieß. Die Mutter machte eine resignierende Handbewegung und gab dem Studenten ein Zeichen, das Zimmer zu verlassen.
Der aber tat, als habe er nichts verstanden. Ganz langsam nahm er die Bischofsmütze vom Kopf, zog die Brille ab und legte mit einer schnellen Handbewegung den weiten roten Mantel zur Seite. Das Kind sah dem Entkleidungsspiel mit großen Augen zu. Es vergaß zu weinen, hielt aber weiterhin die Hände auf dem Rücken verschränkt. Jetzt löste der Student den langen Bart. Ein junges, verlegenes Gesicht kam unter dem Bart hervor. Dieses Gesicht sah lächelnd das Kind an. Das Kind studierte das Gesicht. Die Hände kamen hinter dem Rücken hervor und streichelten vorsichtig das junge Gesicht.
Schade, sagten die Erwachsenen, der ganze Zauber ist dahin. Der Student und das Kind hörten es nicht. Sie lachten miteinander. Und während sie miteinander lachten und erzählten, nahm das Kind den falschen Bart, streifte ihn dem Studenten über, versuchte mit ungeschickten Händen, ihm die Mitra aufzusetzen, und gab nicht eher Ruhe, als bis der Student auch wieder den roten Mantel trug. Der Student erzählte währenddessen die Geschichte vom Nikolaus: dass er schon lange tot und ein guter Mensch gewesen sei. Besonders zu den Kindern. Und er erzählte, dass seither Menschen in die Rolle des Nikolaus schlüpfen, um an ihn zu erinnern.
Das Kind hörte mit großen Augen zu.
Der Zauber ist dahin, sagten die Erwachsenen.
Was uns bleibt, ist das Wunder, dachte der Student.
Autor: Gerhard Eberts